Stigmatisierung

„Vorurteile und Stigmatisierung psychisch Kranker haben eine lange Tradition und sind offenbar nur schwer durch Aufklärungskampagnen zu modifizieren.“ (Möller-Leimkühler, 2004: 36) In Folge dieser Stigmatisierung werden die Betroffenen ausgegrenzt, die soziale Distanz steigt an. Neben der individuellen Diskriminierung, d. h. der ablehnenden Haltung einzelner Personen oder Gruppen gegenüber psychisch kranken Menschen, existieren ebenso Formen struktureller Diskriminierung, beispielsweise durch politikbedingte Benachteiligung der psychischen Krankenversorgung.

Für die Betroffenen können weitreichende Folgen entstehen. „Trotz Belegen für den signifikanten Nutzen pharmakologischer und psychosozialer Behandlungen vieler psychischer Störungen suchen viele Menschen, die ansonsten von einer Behandlung profitieren könnten, keine Hilfe auf oder brechen begonnene Behandlungen vorzeitig ab. Im Rahmen eines Modells subjektiver überzeugungen bezüglich der eigenen Gesundheit scheint das Stigma psychischer Erkrankungen und ihrer Behandlungen eine wichtige wahrgenommene Hürde darzustellen, die die Behandlungsteilnahme untergräbt.“ (Corrigan & Rüsch, 2002: 312)

Stigmatisiert werden neben den psychisch Kranken ebenso die Institutionen zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Geprägt werden diese negativen Assoziationen zum Teil durch populistische Darstellungen in den Medien und die Unwissenheit der Bevölkerung. Andererseits können für den Patienten negativ belegte Erinnerungen an einen früheren Krankenhausaufenthalt ebenso zur Stigmatisierung der Einrichtung führen. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise präklinische Suizide diskutiert.

Für die Architektur ergibt sich daraus die Aufgabe, diesen Stigmatisierungsprozessen mit einer angemessenen, präventiven Gestaltung zu begegnen. „Es wird davon ausgegangen, dass das äußere Erscheinungsbild eines Krankenhauses einen Einfluss darauf nimmt, mit welcher emotionalen Einstimmung der Patient das Gebäude betritt und sich therapeutischen Maßnahmen anvertraut. Dabei sollte das Krankenhaus dem Betrachter stets positive Einstellungen in Bezug auf das zu erwartende Milieu vermitteln.“ (Kunze, 1994: 97)

Zum einen kann durch den Ansatz der Normalität in der Gestaltung, besonders in der äußeren Erscheinung und den primären Patienten- und Besucherbereichen, Assoziationen von Zwang und Gewalt entgegen gewirkt und ein Bild der Selbstverständlichkeit der Gleichberechtigung mit somatischen Einrichtungen etabliert werden. Attraktive und hochwertige Ausstattungen können der Imagepflege der Psychiatrie zuträglich sein.

Möglichst großzügige öffentliche und halböffentliche Bereiche in den Einrichtungen, in Form von Cafés, Ausstellungsflächen oder Mehrzweckräumen, bieten eine geeignete Kontaktfläche zwischen der Bevölkerung und den Patienten und können somit zum Abbau der sozialen Distanz zur Gruppe der psychisch Kranken beitragen. „Forschungsergebnisse zeigen, dass die Allgemeinbevölkerung weniger zur Stigmatisierung neigt, wenn sie Mitgliedern der Minderheit begegnet sind. […] Deswegen ist Kontakt eine wichtige Strategie, um Stereotypen, Vorurteile und Diskriminierung zu verringern.“ (Rüsch et al., 2004: 10)

Literatur

  1. Corrigan, P. W., Rüsch, N. (2002)
  2. Kunze, M. (1994)
  3. Möller-Leimkühler, A. M. (2004)
  4. Rüsch, N., Berger, M., Finzen, A., Angermeyer, M. (2004)
  5. Winkler, I., Richter-Werling, M., Angermeyer, M. (2006)