Ausführungsvarianten für Fenster und Fassade

Erhöhung der Brüstungshöhe

Erhöhung der Brüstungshöhe

Wie Mohl et al. (2012) am Bei­spiel eines so­ma­ti­schen Akut­kran­ken­hau­ses zeig­ten, kann durch eine Er­hö­hung der Brüs­tungs­hö­he (z. B. bei Ein­brin­gen einer Quer­stan­ge in die Lai­bung) eine psy­cho­lo­gi­sche Bar­rie­re er­rich­tet wer­den, wel­che zwar rein phy­sio­lo­gisch über­wun­den wer­den könn­te und trotz­dem zum Rück­gang der Sprungsui­zi­de füh­ren kann. Die­ser Ef­fekt ist auch mit an­de­ren Mit­teln, wie einer Fest­ver­gla­sung im un­te­ren Fenster­be­reich oder auch Pflan­zun­gen im In­nen- oder Au­ßen­raum zu er­rei­chen.

Der sui­zid­prä­ven­ti­ve Cha­rak­ter wird hier durch den at­mo­sphä­ri­schen Wert (Nor­ma­li­tät, gute Frisch­luft­zu­fuhr, Be­trach­tung von Natur) un­ter­stützt.

Auch wenn das Ur­teil des Bun­des­ge­richts­ho­fes vom Ok­to­ber 2013 zur Fens­ter­si­che­rung in psych­ia­tri­schen Ein­rich­tun­gen keine un­über­wind­ba­ren Kon­struk­tio­nen for­dert, soll­te der Ein­satz einer sol­chen Fenster­lö­sung nicht im akut­psych­ia­tri­schen Be­reich er­fol­gen. In Ab­hän­gig­keit von der po­ten­ti­el­len Ab­sturz­hö­he, der Bo­den­be­schaf­fen­heit im Au­ßen­raum vor dem Fens­ter und der Pa­ti­en­ten­zu­sam­men­set­zung sind rein at­mo­sphä­ri­sche Lö­sun­gen ab­zu­wä­gen.

Der ob­jek­ti­ve Schutz kann durch bus­ch­ar­ti­ge Pflan­zun­gen vor den Fens­tern er­höht wer­den.

Festverglasung

Festverglasung

Die einfachste Fenstersicherung besteht in der Festverglasung. Diese kann beispielsweise punktuell in besonderen Risikobereichen oder auch in Kombination mit zusätzlichen Elementen zur Gewährleistung der Frischluftzufuhr eingesetzt werden. Es ist zu beachten, dass bei Festverglasungen mit einem erhöhten Wartungs- und Reinigungsaufwand zu rechnen ist.

Abschließbare Fensteroliven

Abschließbare Fensteroliven

Die am häufigsten eingesetzte Variante der Fenstersicherung sind verschließbare Fenstergriffe, welche in unzähligen Ausführungen erhältlich sind. Eine Öffnung des Fensters ist nur mit Schlüssel möglich. Für Patienten besteht daher keine Lüftungsmöglichkeit.

Es sind jedoch Kombinationen mit anderen Fensterelementen, z. B. Oberlichtern oder schmalen, frei zu öffnenden Fensterflügeln denkbar, die dann zur Lüftung herangezogen werden können.

Die abschließbaren Fenstergriffe können auch mit sogenannten Kipp-vor-Dreh-Beschlägen verwendet werden. Dabei wird die Kippstellung des Fensters auch bei verschlossenem Griff ermöglicht und kann zur Lüftung durch die Patienten herangezogen werden. Die Drehstellung bleibt dagegen verschlossen. Im Regelfall wird jedoch zum Abbau von Spitzenlasten das Aufschließen der Drehflügel zur Lüftung notwendig. Es ist zu bedenken, dass dadurch mit erhöhtem Personalbedarf zu rechnen ist.

Abnehmbare Fenstergriffe

Abnehmbare Fenstergriffe

Alternativ zu verschließbaren Fensteroliven kann ebenso mit demontierbaren Fenstergriffen gearbeitet werden. Diese wurden für den Bereich der Kindersicherung entwickelt und werden in verschiedenen Ausführungen angeboten. Die Rosette wird verdeckt montiert und zum Einstecken des Griffes aufgedreht. An der Rosette können Strangulationen ausgeschlossen werden. Nachteilig sind jedoch die fehlende Lüftungsmöglichkeit sowie das Verlustrisiko der Einzelteile.

Stoppelemente

Stoppelemente

Durch Stop­pele­men­te am Kipp­fens­ter kann der Öff­nungs­win­kel von Fens­tern in der Kipp­stel­lung be­grenzt wer­den. Bei punk­tu­el­len Stop­pern bleibt im Ge­gen­satz zu li­nea­ren Stop­pern die Dreh­flü­gel­funk­ti­on der Fens­ter er­hal­ten. Kom­bi­na­tio­nen mit Kipp-vor-Dreh-Be­schlä­gen sind häu­fig.

Zu­sätz­li­che Stop­pele­men­te an Kipp­fens­tern kön­nen bei­spiels­wei­se bei hohen Fens­ter­for­ma­ten (gro­ßer He­bel­arm) oder un­zu­rei­chend di­men­sio­nier­ten Sche­ren er­for­der­lich wer­den.
Die Stop­pele­men­te kön­nen eben­so an Dreh­flü­geln ein­ge­setzt wer­den, um die Öff­nungs­brei­te zu be­gren­zen.

Die Stop­pele­men­te sind ver­deckt zu mon­tie­ren. Häu­fig wer­den sie von Kli­ni­ken selbst ent­wi­ckelt und ver­baut. Um Ent­wei­chun­gen und Sui­zi­de durch Sturz in die Tiefe zu ver­mei­den, ist das Öff­nungs­maß auf 12 cm zu be­gren­zen.

Schmale Dreh- und Wendeflügel

Schmale Dreh- und Wendeflügel

Beispielsweise in Kombination mit einer Festverglasung oder einem abschließbaren Fensterelement für den Ausblick können schmale Dreh- oder Wendeflügel als Lüftungselemente eingesetzt werden. Auch hier ist die Öffnungsweite auf 12 cm zu begrenzen. Für Wendeflügel ist entsprechend die doppelte Breite möglich. Sie bieten daher einen größeren Lüftungsquerschnitt.
Diese Fensterlösung bietet ein hohes Maß an Normalität und bei entsprechender Fensterhöhe bzw. -anzahl adäquate Lüftungsmöglichkeiten.

  1. Ausführungsvariante: ""
  2. Kapitel "Grundlagen: Ausführungsvarianten"

Lamellenfenster

Lamellenfenster

Lamellenfenster sind eine eher selten eingesetzte und dennoch geeignete Variante für Lüftungselemente im psychiatrischen Bereich. Die Lösung besticht durch ihre Normalität und den großen Lüftungsquerschnitt. Der Lamellenzwischenraum darf das Maß von 12 cm nicht überschreiten, um Entweichungen und Sprungsuizide sicher zu vermeiden. Bei horizontalen Lamellen können Strangulationen nicht völlig ausgeschlossen werden. Der atmosphärische Mehrwert durch den starken Bezug zum Außenraum (Erlebbarkeit der Frischluft) kann hingegen die Schaffung eines antisuizidalen Milieus unterstützen.

Sicherung durch Pendelschutz im Blendrahmen

Sicherung durch Pendelschutz im Blendrahmen

Öffnungsflügel können auch durch Einbauten im Blendrahmen gesichert werden. Durch das Einbringen von Lochblech, Gitter oder Ähnlichem können Entweichung sowie Sprungsuizide verhindert werden. Diese Fensterlösung findet sich häufig im forensischen Bereich, da das Lochblech gleichzeitig als Pendelschutz dient.
Bei dieser Ausführungsvariante ist auf einen angemessenen Lüftungsquerschnitt zu achten.

In der Fassade können die Einbauten im Blendrahmen eine flächige Wirkung, ähnlich einer Fassadenplatte, erzielen. Beim Einsatz von Pendelschutzelementen im allgemeinpsychiatrischen Bereich sollte der Entwurf in Hinsicht auf die Stigmatisierungsproblematik geprüft werden.

Sicherung in zweiter Ebene

Sicherung in zweiter Ebene

Die Ebene der Sicherung kann auch vom eigentlichen Fenster entkoppelt werden. Eine Möglichkeit stellt punktgehaltenes Glas in zweiter Ebene vor den Fenstern dar. Dabei liegt der Vorteil in der Verwendbarkeit herkömmlicher Fenster, die vom Patienten in üblicher Art und Weise geöffnet werden können. Der Ausblick wird durch die Glasebene nicht beschränkt. Der maximale Abstand von 12 cm ist einzuhalten.

Neben dem Glas können auch Rankhilfen, Gitter oder andere Fassadenelemente als Sicherung in zweiter Ebene eingesetzt werden. Diese Varianten beschränken die Ausblickmöglichkeit aus dem Fenster, Gitter können die Stigmatisierungsproblematik verschärfen. Suizide durch Strangulation können nicht ausgeschlossen werden. Die uneingeschränkte Lüftungsmöglichkeit hingegen ist sehr hoch zu bewerten.

Sicherung durch Sonnenschutzelemente

Sicherung durch Sonnenschutzelemente

Eine sehr natürliche Möglichkeit stellt die Fenstersicherung durch Sonnenschutzelemente dar. Fest installierte Lamellen vor dem zu öffnenden Fensterflügel können durch bewegliche Lamellen vor dem geschlossenen Fensterteil ergänzt werden. Der große Lüftungsquerschnitt ist positiv zu bewerten. Strangulationen können nicht ausgeschlossen werden. Durch einen maximalen Lamellenabstand von 12 cm können Entweichungen und Sprungsuizide verhindert werden.

Sicherung durch vorgelagerten Freibereich

Sicherung durch vorgelagerten Freibereich

In Bereichen mit Balkonen oder Terrassen können die eigentlichen Fenstersicherungen entfallen, sofern die Freiräume geschützt ausgebildet sind. Dies ist beispielsweise durch hohe Verglasungen zu erreichen.

Es ist zu beachten, dass Balkone in Rückzugsbereichen der Patienten aufgrund der Ungestörtheit jedoch verstärkt für suizidale Handlungen genutzt werden. Für Gruppenbereiche hingegen stellt diese Variante eine sinnvolle Alternative dar.

  1. Ausführungsvariante: "Variante geschlossener Terrassen und Balkone"

Fenstergriffe

Fenstergriffe

Unabhängig von der Ausführung des Entweichungs- bzw. Sturzschutzes ist stets auf eine geeignete Gestaltung der Fenstergriffe zu achten. Die Fensterolive darf keine Befestigungsmöglichkeit für Strangulationsgurte bieten. Zur Öffnung der Fenster durch Patienten sollte der Griff von der senkrecht nach unten stehenden Position in die waagerechte Position gebracht werden müssen. Die für die Kippstellung übliche senkrecht nach oben stehende Griffposition ist zu vermeiden. Schräge Griffformen sollen das Abrutschen von Gurten bewirken.

Durch verkürzte Griffe kann ein gewaltsames Öffnen des Fensters aufgrund des fehlenden Hebelarms vermieden werden. Diese ergonomisch nachteiligen Oliven sollten vorrangig im forensischen Bereich eingesetzt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Fenster nach dem Öffnen, beispielsweise zum Lüften, auch ohne Hebelarm noch gut und sicher zu schließen sind. Für den gerontopsychiatrischen Bereich sind verkürzte Griffe nicht geeignet.

  1. Kapitel "Grundlagen: Suizidalität"
  2. Glasow, N. (2011)